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Irgendwie ist es jetzt eine Herzensangelegenheit mich einmal mit einem der wohl am meisten unterschätzten Fahrer im Moto-GP-Feld zu beschäftigen. Kümmern wir uns also einmal etwas intensiver um Andrea „Desmo-Dovi“ Dovizioso.
Der Italiener erblickte am 23. März 1986 in Forlimpopoli das Licht der Welt. Für diejenigen, die den Ort geographisch nicht genau einordnen können. Forlimpopoli liegt knappe 70 Kilometer von San Marino entfernt in dem „italienischen Bermudadreieck“ der Motorradrennfahrer.
Warum Bermudadreieck? Mattia Pasini aus Rimini, Marco Simoncelli aus Cattolica und ein gewisser Valentino Rossi aus Urbino / Tavullia.
Aus der Tatsache wer das rennsportliche Idol von Andrea Dovizioso ist, hat er über lange Jahre keinen Hehl gemacht. Die Start-Nr. 34 zierte seine Maschine und wies ihn damit klar als Verehrer des Texaners Kevin Schwantz aus. Seit Jahren ist er aber mit seiner, nunmehr angestammten, Start-Nr. 4 (04) deutlich für seine Fans erkennbar.
Sein Einstieg in den Motorradrennsport erfolgte in der 125er-Klasse mit der Marke Aprilia in der nationalen italienischen Meisterschaft. Das war im Jahr 2000. Im Jahr 2001 folgte bereits der 125er-Europameistertitel ebenfalls auf Aprilia.
Ab 2002 sah man Andrea Dovizioso dann schon in der WM. Dort aber nunmehr auf einer Honda. An den Hexenkessel Weltmeisterschaft musste sich Dovizioso erst einmal gewöhnen. Diese Phase war aber in der Saison 2004 abgeschlossen. Mit erst 18 Jahren wurde Andrea Dovizioso mit -5- Saisonsiegen überlegener Weltmeister vor einem gewissen Hector Barbera. Sein Teamkollege in den Jahren 2003 und 2004 war übrigens Simone Corsi, den Rennsportfans noch immer aus der Moto 2 kennen.
In logischer Konsequenz erfolgte nach dem WM-Titel in der Klasse bis 125 ccm der Aufstieg in die 250er Klasse im Jahr 2005. Als Debütant erreichte Andrea Dovizioso bereits einen 3. Gesamtrang. In der folgenden Saison schaffte er -2- Laufsiege und insgesamt -11- Podiumsplatzierungen. Damit wurde Dovizioso Vizeweltmeister hinter Jorge Lorenzo auf seiner pfeilschnellen Aprilia. Obwohl Honda im Jahr 2007 die Weiterentwicklung der 250er Zweitaktmaschine nahezu einstellte blieb Andrea Dovizioso seinem Arbeitgeber treu. Leistungsmäßig den Apriliapiloten komplett unterlegen erreichte Dovizioso erneut -10- Podien und -2- Laufsiege. Ergebnis: Wieder Vizeweltmeister hinter Jorge Lorenzo. Dovizioso war der einzige Fahrer in der Saison, der dem Mallorquiner trotz des Leistungsmankos seiner Honda Paroli bieten konnte.
Seinem Arbeitgeber Honda blieb Dovizioso weiterhin treu. Loyalität ist wohl eine seiner herausragenden Charaktereigenschaften. So ging es 2008 im JiR Team Scot auf Honda in die Moto GP Klasse. Ein dritter Platz und Gesamtrang 5 im Debütjahr in der Moto GP.
Die Verantwortlichen bei Honda in Japan waren nun hellhörig geworden und so landete Andrea Dovizioso 2009 im Repsol-Honda-Werksteam an der Seite von Dani Pedrosa. Der Italiener bedankte sich mit seinem ersten Moto-GP-Sieg in Donington Park. Bei schwer kalkulierbaren Wetterbedingungen gewann Andrea Dovizioso den Großen Preis von Großbritannien. Das war der Grundstein für einen guten sechsten Platz im Gesamtklassement zum Jahresende.
Im Folgejahr sollte es noch besser laufen. Es kam zwar kein weiterer Sieg hinzu aber 3 x Rang 2 und 4 x Rang 3 reichten 2010 für eine Verbesserung auf Gesamtplatz 5.
2011 kam es dann bei Repsol zu einem Novum. Man hatte den Ex-Ducatisti und Weltmeister des Jahres 2007 Casey Stoner unter Vertrag genommen und so fuhren außer dem Australier noch Dani Pedrosa und Andrea Dovizioso in Repsolfarben. Stoner schnappte sich den Titel und unser Protagonist Andrea Dovizioso landete mit -7- Podestplätzen (4 x Platz 2; 3 x Platz 3) auf Platz 3 im Gesamtklassement. Anzumerken ist hier: Noch vor Dani Pedrosa.
Repsol „dünnte“ jetzt das Werksteam aus und eigentlich hätte in letzter Konsequenz Dani Pedrosa seine Koffer packen müssen. Stattdessen setzte Honda Andrea Dovizioso vor die Tür. Der Dank für die Loyalität eines Andrea Dovizioso der mit unterlegenem Material von Honda die Fahne der Japaner zwei Jahre in der 250er Klasse hochgehalten hatte. Wahrscheinlich aber auch dem Umstand geschuldet, dass ein spanischer Fahrer bei einem spanischen Hauptsponsor eine höhere Halbwertzeit hat. Da gute Fahrer aber im Moto-GP-Fahrerfeld rar sind fand der Italiener schnell einen freien Platz. Und zwar bei dem Yamaha-Kundenteam Tech 3 von Herve Poncharal. 6 x Platz 3 und Endrang 4 im Gesamtklassement in der Saison 2012 zeigten, dass Andrea Dovizioso auch auf einer Kunden-Yamaha für Podestplätze gut ist.
Genau das fiel jetzt auch den Verantwortlichen bei Ducati in Borgo Panigale auf. Da sie gerade nach fahrerischem Ersatz für den scheidenden Valentino Rossi suchten, der vollkommen entnervt den „Roten“ den Rücken zeigte, schlossen sie einen Vertrag mit Andrea, jetzt „Desmo-Dovi“, Dovizioso.
Das erste Jahr bei den Roten verlief noch unspektakulär ohne Podestplatz auf Rang 8 in der Gesamtwertung.
2014 stand „Desmo-Dovi“ und das unbezähmbare rote Biest bereits zweimal auf dem Podest (1 x Platz 2 und 1 x Platz 3). Gesamtplatz 5 durfte für die Manufaktur aus Bologna und Andrea Dovizioso bereits als erster Lichtblick gelten.
Was Podestplätze anging lief es in der Saison 2015 sogar noch besser. 3x Rang 2 und 2 x Rang 3 reichten zwar in der Endabrechnung nur für die Position 7 im Gesamtklassement, zeigten aber, dass die Roten mit Andrea Dovizioso langsam und stetig konkurrenzfähiger wurden.
Der Durchbruch sollte dann in der Saison 2016 erfolgen. Endlich der langersehnte und längst überfällige zweite Moto-GP-Sieg und der erste Sieg mit der Ducati für Andrea Dovizioso. 3 zweite Plätze und 1 x Rang 3 rundeten die gute Saison mit einem vielversprechenden 5. Gesamtplatz ab und der Gewissheit: Desmo-Dovi war in den Herzen der Ducatisti auf der ganzen Welt angekommen und die roten Renner aus Borgo Panigale waren wieder bei der „Musik“.
Aus meiner Sicht interpretierten die Verantwortlichen in Bologna diesen, nicht zuletzt durch die Arbeit von Andrea Dovizioso, erreichten Status komplett falsch. Für viel Geld wurde nun ein WM-Aspirant in persona Jorge Lorenzo eingekauft. Wie so viele vor ihm tat sich der Spanier aber schwer mit der „störrischen roten Schönheit“.
Für Andrea Dovizioso schien aber diese Personalkonstellation genau die Initialzündung zu sein. Mit einem neuen, stark leistungsbezogenen Vertrag, welcher Prämien bei Podestplätzen vorsah, zeigte Desmo-Dovi WER hier die roten Siegerhosen anhat.
Nicht nur auf den Strecken mit den langen Geraden bei denen die Ducati schon länger mit ihrer schieren Kraft brilliert hatte schlug Dovizioso zu, sondern auch auf den sogenannten Fahrerstrecken. Mit -6- Laufsiegen, einem zweiten und einem dritten Platz hielt Andrea Dovizioso das Rennen um den WM-Titel bis zum letzten Lauf in Valencia offen. Lohn für die wirklich herausragende Saison war der Vizeweltmeistertitel 2017 für Andrea „Desmo-Dovi“ Dovizioso.
Im Grunde genommen hat man nach einem Vizetitel nur noch ein Ziel und das muss Weltmeister heißen. So ging Andrea Dovizioso auch die aktuelle Saison 2018 an. Bombenstart in die Saison mit einem Sieg in Katar. Möglicherweise unter dem Druck jetzt in logischer Konsequenz den Titel holen zu müssen agierte Desmo-Dovi in einigen Läufen nicht mehr so locker und konsequent wie noch in der Vorsaison. Hatte man im Vorjahr noch das Gefühl – Dieser Mann kann gar nicht mehr stürzen – landete Dovizioso in dieser Saison ein ums anderen Mal in aussichtsreicher Position im Kiesbett. Zur Saisonmitte hat sich der Mann aus Forlimpopoli wieder gefangen und zur alten Stärke zurückgefunden. Mittlerweile stehen -3- Laufsiege zu Buche, sowie -2- zweite und -1- dritter Platz. Damit steht Dovizioso wieder auf Gesamtplatz 2 hinter seinem Dauerrivalen Marc Marquez.
Jetzt kommen bei den abschließenden fünf Rennen wieder einige Strecken, die Andrea Dovizioso gepaart mit seiner roten Rakete auf den Leib geschneidert sind. Der Vizeweltmeistertitel dürfte IHM also wiederum sicher sein. Das sage ich mit dem Brustton der Überzeugung und in der Hoffnung damit kein Unheil in den letzten Rennen heraufzubeschwören.
Wie geht es weiter?
Desmo-Dovi kennt jetzt die Situation als „erster Jäger“ hinter dem Titelträger in die Saison zu starten und kann mental damit umgehen. Er weiß, dass er Marc Marquez im direkten Zweikampf besiegen kann. Dies hat er zwischenzeitlich mehrfach bewiesen. Zum Titel fehlt nicht mehr viel.
Positiv ist, mit dem Weggang von Jorge Lorenzo, dass sich die „Roten“ jetzt voll auf Andrea Dovizioso konzentrieren können und die 19er Ducati so verbessern, dass sie den Ansprüchen und den Anforderungen von Dovizioso genügt. So wie es ausschaut ist man genau damit beschäftigt. Endlich hört man auf den Edel-Testfahrer Casey Stoner und ihre Nr. 1 Doviziso und kümmert sich um das Einlenk- und Kurvenverhalten der Ducati. Und das scheint Früchte zu tragen, dann genau hier sieht der Testfahrer Michele Pirro nach den letzten Tests Verbesserungen und eine deutliche Steigerung. Das letzte Manko der pfeilschnelle Ducati ist Geschichte.
Es sieht so aus als ob Desmo-Dovi für die Saison 2019 das richtige Werkzeug für den finalen Angriff auf die Moto GP Weltmeisterschaft erhält. Für mich ist ER DER Anwärter auf den Titel 2019 und ich wünsche dem sympathischen und fairen Italiener, dass er seinen Traum in die Tat umsetzt.
Weltmeister der Herzen – Campione del mondo dei cuori – ist er schon lange. Im nächsten Jahr kommt der richtige WM-Titel hinzu.