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Schauen wir uns nach dem Moto GP Rückblick in aller Ruhe die anderen beiden Klassen an, denn hier war mehr Spannung angesagt.
In meiner Vorschau für die Saison 2018 hatte ich in der Moto 2 den Titel für den Portugiesen Miguel Oliveira auf seiner schnellen KTM vorausgesehen, dicht gefolgt von Francesco „Pecco“ Bagnaia auf der schwarzen Kalex des VR 46 Teams von Pablo Nieto.
https://flyinghaggis.net/2018/02/04/saisonvorschau-moto-gp-2018/
Wie man sieht kann man oder besser Flying Haggis sich auch irren beim Thema „Lesen im Kaffeesatz“. Genau umgekehrt sollte es nun ausgehen. Eine nahezu fehlerfreie Saison fuhr Bagnaia. Keiner der Protagonisten war häufiger zuoberst auf dem Podest und die siegreichen Rennen waren allesamt clever herausgefahren.
„Pecco“ Bagnaia kannte seinen härtesten Widersacher nur zu gut und wusste um dessen Stärke des „kontinuierlichen Punktens“. Deshalb fuhr auch er bei schier aussichtslosen Rennen, wie z. B. am Sachsenring, als er in der ersten Runde unverschuldet einen Umweg durch das sächsische Kiesbett nehmen musste, immer noch engagiert bis zur karierten Flagge und sicherte sich die Punkte.
Oliveira hielt lange Zeit tapfer dagegen. Nach der Sommerpause war aber dann die Messe so gut wie gelesen, als Bagnaia bei fünf Rennen 4 x auf Platz 1 landete und 1 x auf Platz 2. Danach verwaltete der Italiener clever seinen Vorsprung. 8 Siege in der laufenden Saison und 4 weitere Podestplätze machen Bagnaia zum verdienten Moto 2 Weltmeister der Saison 2018.
Was hatte ich bei der Saisonvorschau geschrieben? Bei Fehlern der beiden Titelaspiranten werden Brad Binder und Alex Marquez bereitstehen und die Chance nutzen. Drei Siege hatte Brad Binder am Saisonende auf seinem Konto. Seine weiteren Ergebnisse konnten sich im ausgeglichenen Moto 2 Fahrerfeld ebenfalls sehen lassen und verschafften dem Südafrikaner einen blitzsauberen 3. Platz im Endklassement. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geht über ihn der Moto 2 Titel in der Saison 2019.
Alex Marquez kam irgendwie nicht mit der Bürde des Favoriten auf den WM-Titel zurecht, denn dort hatten ihn einige Experten gesehen. Fünf Nuller schrieb Marquez über die Saison. Das ist bei einem derartigen Klassefeld einfach zu viel.
Deshalb fand er sich in der abschließenden Jahreswertung auch nicht dort wieder, wo ihn einige Fachleute zuvor gesehen hatten. Eine richtige Chance auf den WM-Titel war auf Grund seiner mangelnden Konstanz über den gesamten Saisonverlauf nicht ersichtlich. Sein letztes Rennen in Valencia war fast sinnbildlich für seinen Saisonverlauf. In Führung liegend gestürzt, wieder aufgerappelt und letztendlich den dritten Platz auf dem Podest gesichert. Abschließend springt für Alex Marquez der 4. Gesamtrang im Endklassement heraus, wie zu Saisonbeginn prophezeit.
Im Saisonverlauf bekam Marquez sogar noch ungebetenen Besuch von seinem jungen Teamkollegen Joan Mir, der als Rookie mit vier Podestplätzen aufhorchen ließ und damit interessant wurde für höhere Aufgaben. Sein Blick geht bereits in die kommende Saison wo wir den Spanier zukünftig als Werksfahrer in der Moto GP bei Suzuki sehen. Ob er da tatsächlich Andrea Iannone ersetzen kann ziehe ich mal in Zweifel.
Gefreut hat mich die tolle Saison von Lorenzo Baldassarri. Neu im Pons-Team verbuchte der sympathische Italiener nicht nur einen Sieg, sondern auch noch
3 x Platz 2 und einen dritten Rang. „Balda“ kann sich über einen guten 5. Platz im Gesamtklassement freuen und hat Ambitionen für die kommende Saison 2019. Überhaupt kann man sagen, dass die ehemaligen Schützlinge von Milena Körner im Forwardteam unter neuen Farben zur Höchstform aufliefen.
Auch der kleine Bruder von Valentino Rossi Luca Marini zeigte im VR 46 Team, dass er gewillt ist aus den großen Fußstapfen des Bruders herauszutreten. Der erste Sieg in Malaysia und weitere 3 Podestplätze (2 x Platz 2 und 1 x Platz 3) zeigen, dass man Luca Marini in der kommenden Saison auf der Rechnung haben sollte, wenn es um vordere Plätze in der Gesamtwertung geht. Aktuell reichte das bereits für Platz 7 im Reigen der Besten der Welt. Da wäre mehr drin gewesen, denn Marini dominierte die Trainings in Valencia und ging als Trainingsschnellster ins Rennen. Statt eines weiteren Sieges oder zumindest einer Podestplatzierung endete sein Rennen aber unverschuldet im Kiesbett.
Da habe ich aber jetzt noch einen wichtigen Protagonisten vergessen. Unser Marcel Schrötter lieferte auch eine durchaus ansehnliche Saison ab. Mehrfach schnupperte er an den Podestplätzen und landete dabei 3 x auf dem undankbaren vierten Platz. Es hat aber dann doch noch für das erste Podium in seiner GP-Karriere gereicht. Platz 3 in Misano – Gratulation an Marcel. Punktgleich mit Luca Marini, aber mit den schlechteren Einzelplatzierungen, landet er unmittelbar hinter dem Italiener auf Gesamtrang 8.
Wen hatte ich zu Saisonbeginn noch auf der Rechnung für Topplatzierungen? Mattia Pasini war aus meiner Sicht einer der Anwärter für die vorderen Plätze im Gesamtklassement. Das fing auch alles sehr gut an mit einem 4. Platz in Katar und einem Saisonsieg in Argentinien. Fünf mal Null Punkte sind aber über die Saison betrachtet zu viel um mit den Besten um den Titel kämpfen zu können. Zwei versöhnliche 4. Plätze bei den letzten beiden Saisonrennen hieven den Italiener aber noch auf Platz 9 des Endklassements.
Die Top-Ten schließt Fabio Quartararo ab. Mitte der Saison hatte man kurz das Gefühl, dass der schnelle Franzose noch zu den Topleuten aufschließen kann. Ein Sieg in Barcelona und unmittelbar folgend ein 2. Platz bei der Dutch TT in Assen. Damit war aber das französische Pulver schon fast verschossen. Nennenswert waren danach noch die 5. Plätze in Thailand und in Malaysia. Sein Sieg in Motegi wurde Quartararo aberkannt. Grund war der im Nachhinein bei der technischen Abnahme festgestellte zu niedrige Luftdruck der Bereifung. Natürlich gibt es ein technisches Regelwerk, welches von den Teams und den Fahrern einzuhalten ist, aber wegen eines derartigen Verstoßes einen Sieg abzuerkennen finde ich kleinlich. Diese 25 Punkte hätten den Franzosen um einige Plätze im Gesamtklassement nach vorne gebracht.
Der (Noch)Teamkollege von Marcel Schrötter Xavi Vierge landete knapp hinter den besten 10 des Gesamtklassements auf Rang 11. Aus meiner Sicht zeigt dies dennoch wie stark das Dynavolt-Team aufgestellt ist und lässt schon für die kommende Saison hoffen. Vierge sicherte Dynavolt 2 Podestplätze mit Platz 2 in Argentinien und Platz 3 in Australien. Etwas unrühmlich fand ich seinen ominösen Vertragsabschluss mit Marc VDS in der laufenden Saison, da Dynavolt auch mittelfristig mit dem Spanier geplant hatte. Das Team hat das Beste aus der Situation gemacht und mit dem Moto GP Heimkehrer Tom Lüthi für die kommende Saison ein heißes Eisen im Feuer.
Was hatten wir noch in der Moto 2? Wahrscheinlich den Aufreger des Jahres. Als der italienische Heißsporn Romano Fenati mal wieder seine Nerven nicht im Griff hatte und seinem Landsmann Stefano Manzi auf der Geraden in die Bremse griff. Manzi flog dabei fast ab und Fenati flog für die Aktion raus. Und zwar gänzlich. Sein aktuelles Team kündigte den Vertrag. Sein zukünftiges Team, pikanterweise die Mannschaft seines Kontrahenten Manzi, kündigte ebenfalls und als Gipfel sprachen einige Menschen in der Folge von einer Anklage wegen versuchten Mordes.
Leute – behaltet die Nerven. Das war alles andere als gut, was sich Fenati da geleistet hat und die folgende Sperre war auch korrekt. Romani Fenati ist bereits mehrfach aufgefallen, weil ihm seine Nerven einen Streich spielen, aber nach einer entsprechenden Zwangspause, verbunden mit entsprechenden Gesprächen und Ermahnungen sollte man den Mann wieder das machen lassen, was er mit Leib und Seele machen möchte, nämlich Motorradrennen fahren.
Übrigens – fragt mal einige der alten deutschen Protagonisten wie Toni Mang, Martin Wimmer und Manfred Herweh nach einem 250er Weltmeister (1983 und 1986) Carlos Lavado. Der Venezolaner war genau für diese Eskapaden – in die Bremse greifen auf der Geraden – bekannt. NUR er hatte das Glück, dass es in den 80ern nicht diese gestochen scharfen Fernsehbilder der kompletten Strecke gab und seine Aktionen damit ungesühnt blieben.
Kommen wir zur Moto 3. Zunächst zum Thema – Wie sahen hier die Voraussagen aus? Den Spanier Jorge Martin hatte ich als Weltmeister gesehen. Mit 7 Siegen in der laufenden Saison und 3 weiteren Podestplätzen ist er ein würdiger Weltmeister der kleinen Klasse. 5 x standen aber auch Null Punkte zu Buche und damit machte es sich der schnelle Spanier sinnloserweise schwerer als gedacht.
Denn da kam aus dem Nichts ein kleiner Italiener daher. Marco Bezzecchi forderte Jorge Martin in der laufenden Saison mehr als ihm lieb war. 9 x stand der kleine Italiener im Saisonverlauf auf dem Podest. Davon strahlte er 3 x zuoberst von Platz 1 auf seine Kontrahenten. Eine mehr als reife Leistung, die Marco Bezzecchi zeigte und ihn damit bereits früh – sehr früh für höhere Aufgaben befähigt. 2019 sehen wir ihn bereits in der Moto 2 beim Tech 3 Racing Team wieder auf einer schnellen KTM. Hier wird er seinen ebenfalls aufsteigenden Teamkollegen Phillip Öttl wohl das Fürchten lehren. Aber zu Phillip kommen wir später. Bezzecchi zahlte gegen Saisonende dann doch noch ob seines jugendlichen Elans Lehrgeld und verspielte den fast sicher geglaubten Vizeweltmeistertitel in der Moto 3.
Jorge Martin sehen wir übrigens ebenfalls in der Moto 2 wieder. Im Aki Ajo Team wird er Teamkollege von Brad Binder und hat damit schon die unmittelbare Referenz wenn es um den Titelkampf in der Moto 2 2019 geht.
Überhaupt sehen wir viele der Moto 3 Protagonisten 2019 in der Moto 2 wieder. So auch den Vizeweltmeister der abgelaufenen Saison Fabio di Giannantonio, den Teamkollegen von Jorge Martin. Auch „Digi“ fuhr eine bärenstarke Saison, wie seine 6 Podestplätze, davon 2 Siege, zeigen. Bis kurz vor Saisonende blieb er immer in Schlagdistanz zu den beiden Kontrahenten an der Spitze. In Brünn war er siegreich und in Thailand winkte er auch zuoberst vom Podest. Mit einem clever herausgefahrenen 4. Platz in Valencia sicherte er seinem Team die Gesamtplätze 1 und 2. Chapeau – besser geht es nicht.
Beim Fußball spricht man gerne von einer geschlossenen Teamleistung. Die kann man in der abgelaufenen Saison durchaus dem Leopard-Team zusprechen. Enea Bastianini auf Gesamtplatz 4 und sein Teamkollege Lorenzo Dalla Porta auf Platz 5. Nach dem witterungsbedingten Ausfall des britischen Grand Prix sammelte nur der Weltmeister Jorge Martin mehr Punkte als Dalla Porta. Vier Nuller in der ersten Saisonhälfte ließen ihn jedoch schnell den Anschluss an die Spitze verlieren.
Auf Gesamtplatz 6 finden wir jemanden, den ich eigentlich als unmittelbaren Verfolger des Weltmeisters Jorge Martin gesehen hatte. Aron Canet kam irgendwie im gesamten Saisonverlauf nicht so in Tritt wie man es von der vorangegangenen Saison 2017 hätte erwarten können. Okay 4 x Platz 2 ist auch eine schöne Ausbeute, aber so knapp am letztjährigen Titel vorbeigeschrammt hatte man im Team sicherlich andere Ziele. Die muss man jetzt auf 2019 verschieben. Dann sollte er aber die 8 Nuller dieser Saison zwingend vermeiden.
Apropos verschieben – da kommen wir jetzt zu den Jungs, die in der aktuellen Saison gute Leistungen abgerufen haben und jetzt schon die Messer für die Saison 2019 wetzen, da viele der Etablierten in die Moto 2 abwandern.
Gabriel Rodrigo ist einer von denen auf Gesamtplatz 7 und sicherlich in einem Atemzug zu nennen mit Marcos Ramirez auf Platz 10. Die beiden haben sich in der laufenden Saison den ein oder anderen heißen Kampf geliefert und auch schon Podestluft geschnuppert. Rodrigo mit Platz 3 in Barcelona und Ramirez mit dritten Plätzen in Jerez und Le Mans.
Wen ich für das nächste Jahr auch bereits auf dem Zettel habe ist Albert Arenas. An Wochenenden an denen es bei Arenas passt hat er auch schon in diesem Jahr Titelanwärter zum Schwitzen gebracht. 2 Siege stehen in diesem Jahr zu Buche. 1 x in Le Mans und den zweiten Sieg ließ er in Australien folgen.
Wer auch im Konzert der besten Zehn mitgespielt hat war Jakub Kornfeil. Sein Pech in dieser Saison war, dass seine durchaus gute Leistung bei der sensationellen Saison seines Teamkollegen Bezzecchi unterging. Auch Kornfeil wird sicherlich schon in froher Erwartung auf die Saison 2019 sein. Gesamtplatz 8 in dieser Saison zeigt bereits, dass er durchaus Chancen für 2019 hat.
Die deutsche Flagge hat Philipp Öttl hochgehalten. Endlich mit dem ersten und über die Jahre sicherlich verdienten ersten Sieg. Besonders für mich war, dass der Erfolg in Jerez erzielt wurde. Auf der Strecke, die für eine Vielzahl von Tests genutzt wird und im Grunde genommen für alle Piloten so etwas wie ein Heimrennen ist, weil sie alle die Strecke blind kennen. Außer diesem einen Highlight kam aber in der Folge nichts mehr von Öttl. Es ist für mich bemerkenswert, dass Philipp Öttl auf der einen Strecke mit der Weltklasse mitfahren kann und sogar für Podestplätze gut ist und auf der nächsten reicht es nicht einmal für Punkte. Seine KTM zählt dabei stets zu den schnellsten Maschinen im Feld. Am Material liegt es also nicht und das ist bereits seit Jahren zu beobachten.
Ich prophezeie, dass wir von Philipp Öttl im nächsten Jahr so gut wie nichts hören werden. Sein Aufstieg in die Moto 2 ist fahrerisch für ihn zu früh und sein Teamkollege, der junge Marco Bezzecchi, wird ihm sinnbildlich um die Ohren fahren.
Warten wir also ab was die Frühjahrstests an Informationen bringen und wie die Stars der Szene aus dem kurzen Winter kommen. Man darf wieder gespannt sein und Flying Haggis wird frühzeitig Bericht erstatten.