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Charakterlich bin ich zum Fremdgehen komplett ungeeignet. Es liegt einfach nicht in meinem Naturell. Jetzt ist es passiert und ich muss zugeben, dass es sogar noch Spaß bereitet hat. Okay – das mit dem Fremdgehen ist in diesem speziellen Fall eher metaphorisch zu betrachten. Insofern dürfte die „Beichte“ in diesem Bericht als ausreichende Buße zu bewerten sein. Ich, als „Neu-Südtiroler“, habe eine Pässe-Runde in der angrenzenden Schweiz gedreht und habe das auch noch in vollen Zügen genossen.
Also los geht es raus aus Schlanders und auf der Staatsstraße in Richtung Reschensee und Österreich.

In Nauders sagen wir der hektischen Betriebsamkeit Aufwiedersehen und folgen der Beschilderung in Richtung Schweiz / St. Moritz. Hier folgen wir dann parallel dem Flußlauf zunächst in Richtung St. Moritz und genießen die flüssigen Kurven des Streckenverlaufes. An Scuol vorbei geht es bis nach Susch und hier ist bereits unser erstes Highlight für heute. Es geht aufwärts zum Flüelapaß.

Übrigens: Susch zählt noch zum Unterengadin und der Flüela liegt bereits im Kanton Graubünden. Gemeinsam mit dem Susten ist der Flüela der nördlichste 2000er Pass der Schweizer Alpen.

Da er eine der Hauptverbindungen nach Davos ist, findet man den Flüela meist selbst im Winter gut befahrbar vor. Und mit dem Motorrad hat es schließlich auch WAS, wenn man kurz vor der Passhöhe mit 2.383 m noch am Straßenrand den Schnee bewundern kann.

Die Aussicht ist in beide Richtungen dann phänomenal und allemal eine Fotopause wert.

Für uns geht es dann weiter nach Davos, der Schweizer Bergstadt. Auf 1.560 m Höhe ist sie die höchste Stadt Europas. Viele Künstler, Philosophen und Schriftsteller weilten in Davos und machten die Stadt berühmt. Der Zauberberg von Thomas Mann setzt der Stadt literarisch ein Denkmal. Das älteste internationale Eishockeyturnier, der Spengler Cup, wurde 1923 erstmals hier in Davos ausgetragen. Sollte die Stadt irgendwie einen „Zauber“ vermitteln, so ist er auf uns nicht übergesprungen.

Also geht es weiter für uns entlang der Landwasserstraße zu unserer nächsten Zwischenstation, wo der Funke übergesprungen ist. Und zwar bereits in der Anfahrt. Wir sind auf dem Weg zum Albulapass.

Von Tiefencastel aus geht es für uns hinauf auf die 2.315 m zur Passhöhe. Dann haben wir fast 1.300 m Höhendifferenz hinter uns gebracht, die einfach traumhaft sind. Der Albula bleibt uns im Gedächtnis und in allen Sinnen verhaftet. Wir werden uns bald wiedersehen – Versprochen!


Seit dem 16. Jahrhundert hatte der Albulapass bereits gewisse Bedeutung. Die Bündner nutzten ihn als Handelsroute für Wein, Salz und Getreide. Aber auch Erze und Metalle fanden den Weg über den Pass. Und die Franzosen richteten einen Postdienst über den Pass nach Venedig ein. Die beiden Gemeinden Bergün und La Punt waren für den Unterhalt des Passes zuständig und durften deshalb auch Wegezoll erheben. Wir müssen glücklicherweise heutzutage keine Maut entrichten und genießen den Pass kostenfrei.

Schmal geht es aufwärts, die Streckenführung nichts für die Raser, die dem Rest der Menschheit ungefragt ihr fahrerisches Können, oder was sie dafür halten, vermitteln müssen. Deshalb herrscht auch auf der Passhöhe angenehme Ruhe. Nur ein paar „Windgesichter“, die ebenfalls Ort, Landschaft und einfach das Gefühl genießen.
Dann geht es abwärts nach La Punt Chamues. Wem der Fluß jetzt irgendwie bekannt vorkommt – Genau – Er war bereits zu Beginn unserer Tour unser Begleiter bis wir zum Flüela abgebogen sind. Rückweg ist angesagt.

Also bleiben wir zunächst parallel zum Fluss zu unserer Linken bis nach Zernez und dann folgen wir der Beschilderung zum Ofenpass, der uns dann durch das Val Müstair zwischen Unter- und Oberengadin führt. Wieder tut sich eine Wunderschöne Region für uns auf und die Streckenführung mit wechselnden weiten und engeren Kurven lässt uns entspannt zur Passhöhe schwingen.

Der Name Ofenpass leitet sich von Schmelzöfen ab, die es bis ins späte Mittelalter in dieser Region gab. Von daher wird uns bewusst seit wann dieser Übergang für die Schweizer bereits Bedeutung hat.


Nach der kurzen Fotopause auf der Passhöhe rollen wir hinab ins Münstertal, passieren dabei ein schönes Skigebiet, welches die Langläufer im Winter nutzen und auch Etappe im Weltcup ist. Dario Cologna lässt grüßen, der berühmte und erfolgreiche Sohn des Münstertals.
Jetzt ist es nicht mehr weit bis wir die Schweiz wieder verlassen und dann talabwärts Glurns erreichen. Die Hungrigen können meinen „alten Tipp“ die Bäckerei Schuster anfahren in der Ortslage. Diejenigen, die am Abend die heutige Tour bei etwas Hochprozentigem ausklingen lassen bzw. „nacharbeiten“, können bei der Puni Destillerie in Glurns einen Halt einlegen. Hier ist die Heimat der ersten Whisky-Brennerei Italiens. Der Malt ist kein ganz günstiges Vergnügen, aber für Kenner der Szene und Liebhaber allemal eine Pause mit Einkehr wert.
Jetzt ist es nur noch ein Katzensprung bis wir wieder an unserem Ausgangspunkt in Schlanders eintreffen und auf irgendeiner der einladenden Terrassen einen Vernatsch oder Aperol genießen. Immer mit dem Gedanken im Hinterkopf: Das Fremdgehen in Südtirol kann man durchaus machen, wenn es sich um die nahen Pässe in der Schweiz handelt.
Viel Spaß beim Nachfahren.

Wieder mal sehr schön geschrieben.
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Hallo Raimund,
DANKE Dir. Bei einer solch schönen Tour fällt es aber auch leicht schön zu schreiben. Die Auf- und Abfahrt zum Albulapass war einfach nur ein Traum. Das wird mein „neuer Liebling“.
Viele liebe Grüße
Johannes
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Albulaaaa,
hey Haggis, 1983 klein rudis erste Moppedreise, ich alleine mit meiner damals neuen Rappelkiste. Der Albula war glaube ich der erste „richtige“ Pass den wir genommen haben, jedenfalls habe ich ihn immer als ersten in Erinnerung wenn ich an die damalige Tour denke, die ich im Grenzgebiet Schweiz/Italien unternommen habe. Übernachtet habe ich in Susauna, der ältesten „Jugendherberge“ der Schweiz, zeitweise Zufluchtsort für deutsche fahnenflüchtige „Vaterlandsverräter“. Geschlafen wurde im Stall auf Stroh, man stelle sich vor Frauen und Männer zusammen in einem Raum und zum gemeinsamen Abendmahl gab es Wein und Bier, einfach herrrrlisch und für mich der Himmel auf Erden.
Susauna liegt gleich hinter S-chanf bei Chapella links ab.
Übrigens gibt es in Chapella ein open air.
Und bitte: https://chapella.ch/
Dann sind wir noch über den Gavia geröllt, das ist ein anderer an den ich mich gerne erinnere. Nach dieser Tour habe ich geglaubt jetzt kann ich Mopped fahren, ab da wurde es gefährlich. Hahahahaha!
LIEBEn Gruß
rudi rüpel
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Hallo Rudi,
dann hat es Dir der Albula genauso angetan wie uns. Einfach traumhaft und wunderschön auch rundherum bei der Zufahrt. In und nach jeder Kurve NEUES zu entdecken. Im Grunde genommen käme man vor lauter „Fotopausen“ niemals oben an. Diese kleinen, abgelegenen Orte und Pässe haben es uns einfach angetan, weil man hier trotz „Moped-Aufkommen“ noch seine Ruhe hat und selbige genießen kann.
Das Stilfserjoch und die Sella-Ronda entwickeln sich irgendwie immer mehr zum „Sauerlandstern“ der Motorradfahrer*innen (ich muss einfach mehr an das gendern denken).
Aber WIR finden immer noch die Ecken, wo man sich wohl fühlt. Gut so und auf bald
Johannes
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