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Ich muss schmunzeln. Da steht jemand vor mir mit seiner „Spezialuhr“ eines bekannten Obstherstellers. Strahlender Sonnenschein, lediglich einige kleine Schäfchenwolken zieren den blauen Himmel. Der besagte Mensch steht aber vor mir mit Regenjacke und Regenhose ausgestattet für die nun anstehende Joggingrunde im Wald.
Weit und breit sieht es nicht nach Regen aus, aber seine UHR sagt ihm, dass die Regenwahrscheinlichkeit hoch ist und wir unmittelbar mit einem Schauer rechnen müssen.
Aha und so, so.
Es regnet natürlich nicht und es wird eine schöne Laufrunde bei Topwetter. Besser geht es nicht.
Obwohl er am frühen Morgen putzmunter aus dem Bett aufsteht, sagt ihm der Blick auf seine Spezialuhr, dass seine Tiefschlafphase in dieser Nacht nicht ausreichend gewesen ist. Folglich kann er nicht ausgeschlafen sein, denn die Technik ist absolut unbestechlich, objektiv und nicht zu beeinflussen. Das ist tragisch, wenn der Körper oder das Teil zwischen den Ohren etwas Anderes signalisiert als die Technik uns mitteilt. Nein – eigentlich nicht. Tragisch oder besser komplett verrückt wird es erst, wenn wir uns davon beeinflussen lassen.
Ich muss lächeln. Wie kann man nur dermaßen bescheuert sein? Das würde Dir nie und nimmer passieren.
Oder vielleicht doch? Zumindest ein bisschen. Nein – ich habe nicht eine derartige Uhr. Okay – ich habe da so einen Chronometer, der mir beim Sport anzeigt ob mein Motor in den roten Bereich dreht.
Mein mentales Anzeigeinstrument ist schon seit Jahren mein Motorrad. Ob es mir gutgeht oder irgendwo eine geistige oder körperliche Unwucht vorhanden ist, das bemerke ich bereits bei der Ausfahrt aus der Garage. Ist alles gut und im grünen Bereich, dann funktionieren die Abläufe auf der Maschine locker, leicht und ohne Anstrengung. Weder körperlich noch geistig. Einfach auf unerklärliche Art und Weise in einem wunderbaren Fluss. Entspannung und Erholung pur. Ist aber irgendwo in dem System „Mensch“ ein Knick oder eine Macke dann geht es bereits um das erste Eck irgendwie steif und unharmonisch. Dann darf man nichts erzwingen. Man muss sich auch nicht in „Regenkombi“ auf die Maschine setzen, wenn es nicht nach Regen aussieht und auch die Schlafphasen sind eher Nebensache. Einfach locker bleiben oder eben die Lockerheit suchen. Auf die Abläufe konzentrieren, den Lenkimpuls sauber setzen und nach ein paar Kilometern sind wir wieder da wo wir hinwollen. An dem Punkt wo man nur bestätigen kann, dass zwei Räder eben deine Seele bewegen und vier lediglich deinen Körper.
Was mache ich jetzt? Hmm. Also ich lächle nicht mehr über jemanden, der seinen Körperfunktionen mittels einer Uhr überprüft und sich davon leiten lässt. Wenn er das machen möchte und es ihm gut tut, dann soll er dies tun. Schließlich habe ich als Therapeuten ein Motorrad, das mir anzeigt wie ich drauf bin. Und wenn man das „Sterblichen“ erzählt wird man de facto Kopfschütteln oder Schlimmeres ernten.
Also – ganz normal verrückt. Auch ganz schön. Hoffentlich hält der Zustand noch lange bei mir an. Ich komme gut damit klar und das muss mir keine Uhr anzeigen.