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Jetzt ist ER weg oder sollte ich besser sagen ER ist bald weg. Der, der für mich seit einer gefühlten Ewigkeit Rennstreckenbesuche oder TV-Übertragungen von Motorradrennen überhaupt erst sehenswert gemacht hat.

Ja – es gab auch für mich vorher schon die Helden und Legenden, die ich mit strahlenden Augen auf den Strecken beobachtet und ihr Können bewundert habe. Hießen sie jetzt Toni Mang oder Kevin Schwanz, aber bei keinem dieser Fahrer war gleichzeitig dieses Grinsen bei mir im Gesicht und dieses Gefühl, dass dieser Kerl da unten einfach einen „Heidenspaß“ bei der Sache hat.

Wie soll ER einmal gesagt haben: „Mein Alltag fühlt sich an wie Urlaub!“

Ich hoffe für Dich Valentino, dass dieses Gefühl weiterhin bei Dir vorherrschen wird, denn ein anderes Zitat zeigt ziemlich deutlich wie unser „Doctor“ tickt:

„Ein Renn-Motorrad zu fahren ist Kunst. Etwas, das man tut, weil man es fühlt.“

Für mich ist es entsetzlich schade, dass sich Valentino in dieser Coronazeit von den Rennstrecken dieser Welt verabschiedet. Die Vielzahl seiner Fans, die „gelben Wände“ die seit Jahren die Tribünen füllen, haben keine Chance sich angemessen vom Gott auf 2 Rädern zu verabschieden. Auch sie werden wohl in den nächsten Jahren fehlen. Man wechselt nicht einfach „seine Konfession“ oder sucht einen neuen Propheten.

Rossi-Fan war oder ist man wegen Valentino Rossi. Nicht wegen Yamaha, Honda oder Ducati. Und diese Lücke, die jetzt unweigerlich entsteht, kann zurzeit KEINER füllen. NEIN – auch kein MM93 oder ein Fabio Quartararo.

Warum nicht? Gehen wir einmal auf die Suche und versuchen den oder die Hintergründe zu finden.

Was kann man zu dem Begriff Charisma im Duden finden? Persönliche Ausstrahlung und eine von Gott verliehene Gabe. Das ist wohl schon mit einer der Hauptgründe für das Dilemma. Rossi hat nämlich genau DAS was sämtlichen anderen aktuellen Piloten in der Szene fehlt. Charisma.

Anders lässt sich nicht erklären, dass da einer im Kreis herumfährt, der seit 2009 keinen Titel mehr errungen hat und trotzdem auf den Rennstrecken der Welt, farblich sauber erkennbar, ein Heer von Fans, il Popolo giallo, um sich herum versammelt.

Wenn man nicht wusste wo das Motorhome oder der Servicetruck vom Doctor ist, dann musste man einfach nur schauen wo sich die größte Menschenmasse im Fahrerlager versammelt hat. Genau da war er dann zu finden und seine Gemeinde harrte still und geduldig auf ihren Meister und wartete auf ein Autogramm, ein Foto oder nur ein Winken.

Und Rossi kommt seit Jahren, oder besser Jahrzehnten, dieser Verpflichtung nach. Dabei hat man das Gefühl, dass es für ihn keine Verpflichtung ist sondern tatsächlich Freude bereitet.

Um Valentino ranken sich derartig viele Anekdoten und Geschichten, dass man oftmals nicht mehr weiß, was ist tatsächlich wahr und was ist bereits Fiktion, Märchen oder Heldensagen.

Die 102-jährige Italica Grondona aus Ligurien, in Italien mittlerweile als Nonna Lina bekannt, hatte nach ihrer Genesung von Corona nur noch einen Wunsch (der sogar den Weg in die Nachrichten von CNN geschafft hatte). Nonna Lina wollte unbedingt noch Valentino Rossi kennenlernen.

Oder die berühmte Schmunzel-Geschichte vom Sponsoren „Polleria Osvaldo“. Die Hühnerfarm tauchte 1998 als Sponsoren-Aufkleber auf seiner 250er Aprilia auf. Kernproblem war, dass es diese Hühnerfarm und damit den Sponsoren real gar nicht gab. Halb Italien wollte aber nun die Eier der besagten Farm, die nicht existierte. Als der italienische Sender RAI eine Dokumentation drehen wollte, trieb es Rossi gar auf die Spitze. Er suchte einen alten Bauernhof und malte den Slogan „Jedes Hühnchen kennt Osvaldo“ an die Scheune. Ein älterer Herr aus seiner Heimatstadt Tavullia spielte den Bauern Osvaldo und RAI strahlte die Dokumentation sogar noch aus. Für einen guten Spaß war Rossi nie etwas zu viel und sein spitzbübisches Lachen hat er bis heute behalten.

So viel zum Thema Charisma.

Ach ja – da hatte ich ja gerade ganz kurz Tavullia erwähnt. Die ganze Heimatstadt Tavullia zelebriert ihren berühmten Sohn Valentino Rossi. Was nicht gerade in Gelb erstrahlt weist eben auf die „46“ hin. Ganz Tavullia lebt mit, für und wahrscheinlich auch von Valentino Rossi.

Eigentlich wollte ich nicht in das übliche Lied der Rekordlisten mit einstimmen welches jetzt alle anstimmen. Ich muss es trotzdem kurz machen um die Relation der Leistung von Valentino Rossi darzustellen.
Es stehen 199 Podien in der höchsten Klasse zu Buche, also 500er und Moto GP. Davon 89 Siege, 61 zweite Plätze und 49 x Platz 3. Der einzige Fahrer der sowohl in der 500er Klasse, als auch in der Moto GP WM-Titel aufweisen kann.

Selbst die andere italienische Ikone des Motorradrennsports Giacomo Agostini kommt mit 68 Siegen nicht an Rossi heran. Ago „Nazionale“ hat zwar 15 WM-Titel auf seinem Konto aber die fuhr er über Jahre mit drückend überlegenem Werksmaterial von MV Agusta heraus. Dies bei weniger Rennen über die laufende Saison und in zwei Klassen, nämlich 350er und 500er. Heutzutage undenkbar in zwei Klassen an einem Tag anzutreten.

Meine feste Überzeugung im Hinblick auf seine weltweite Beliebtheit bei den Fans ist, dass er auch fehlbar ist und da auch keinen Hehl daraus macht. So scheiterte er, wie fast alle außer Casey Stoner, an der kapriziösen Diva Ducati. Sicher war auch hier sein Gedanke, wie zuvor bei dem Hondawechsel, jetzt auf die Ducati zu steigen und der restlichen Welt davonzufahren.


Daraus wurde bekanntermaßen nichts und die Rückkehr nach dem 2-jährigen Versuch zu Yamaha war sicherlich die richtige Entscheidung. Es folgten noch Vizetitel und diese unsägliche Saison 2015. Nach wie vor bin ich der Überzeugung, dass Vale diese WM-Titel verdient hätte und es hier keine sportlich faire abschließende Entscheidung gegeben hat. Da man mir auch eine gewisse Impulsivität zuspricht habe ich großes Verständnis für die Aktion in Malaysia. Aber – anderes Thema.

Es war die letzte große Chance auf den Titel Nr. 10. Vielleicht wäre es die Krönung seiner Laufbahn, das i-Tüpfelchen der Karriere, gewesen. Für mich ändert es nichts an meiner Einschätzung.

Hier geht der Größte Motorradrennfahrer aller Zeiten und er hinterlässt eine Lücke so groß wie das Ozonloch.

Arrivederci Valentino il mio vecchio amico. In bocca al lupo. Ci vediamo.

Ich werde Dich an jedem zukünftigen Rennsonntag vermissen.